Niemand weiss, wo man findet und verliert…
Als das Team der SOS GERASJUTA Stiftung sich mit der markerschütternden Geschichte der Familie Mandrik bekannt gemacht hat, kamen nur diese Worte in den Sinn. Das Leben ist wie ein Spinngewebe, in dem sich die Linien in einem unerwarteten Winkel kreuzen. Und es spielt gar keine Rolle, wie viele Bemühungen zur Verwirklichung eigener Vorhaben unternommen wurden. Manchmal kommt es leider Gottes vor, dass jede Anstrengung, was zu ändern, umsonst ist. Die Haupthelden unseres Artikels kommen aus einem Kleindorf Kliny aus Chersoner Gebiet in der Südukraine, wo man ständig hart und unermüdlich arbeitet. In solchen Bedingungen werden Kinder zur Verantwortung, Hilfsbereitschaft und Ehrlichkeit erzogen. Nadezhda (geb. 1986) und Andrej (geb. 1984) Mandrik haben sich zu den auf sie gesetzten Elternpflichten mit voller Hingabe immer fest gehalten. Sie wussten genau, dass das Wichtigste in der Kinderpflege ihre Sicherheit ist, darum befanden sich alle scharfen Sachen, Steckdosen usw. immer ausser der Zone der Erreichbarkeit der Kinder. Aber das Unglück kam daher, woher man darauf überhaupt nicht wartete. Die Nächsten verzehren sich zusehends vor Kummer, das Schuldgefühl verlässt sie sogar für keine einzige Minute. In so einer Situation können die Emotionen jeden Menschen einfach überfüllen. Der Gesundheitszustand von kleinem Bogdan (geb. 2012) ist momentan ja wirklich in höchster Gefahr. Und es ist leicht zu kalkulieren, ob die Familie imstande ist, selbstständig die ganzen Behandlungskosten zu decken. Der Familienvater bekommt das Einkommen nur daraus, dass er Gemüse in eigenem Garten anbaut und dann die Ernte verkauft. Die Mutter ist arbeitslos, und nur in seltenen Fällen bietet sich ihr eine Gelegenheit, bei ihren Dorfgenossen nebenbei zu verdienen. Mit Tränen in den Augen und bebender Stimme flehte die Frau unsere Mitarbeiter, an ihrer Bitte achtlos nicht vorbeizugehen, sonst könne sie mit hoher Sicherheit ihr Kind verlieren. Auf Hilfeschrei dieser armen Frau gingen wir sofort ein. So, liebe Leserinnen und Leser, möchten wir Ihrer Aufmerksamkeit eine Geschichte darstellen, die die Saiten Ihrer Seele unbedingt berühren soll.
Bogdan auf der Ausstellung der Handwerke im Dorf, 2016
Familie Mandrik hat zwei schöne Kinder – die Tochter Anastasia (Jahrgang 2006) und den Sohn Bogdan. Ihres Altersunterschiedes ungeachtet hängen sie wie die Kletten zusammen. Das Mädchen ist ein echter Stolz seiner Eltern, denn es war und bleibt immer behilflich und verständnisvoll. Wenn Vater und Mutter zu ihrem Gemüsegarten gehen, bleibt es sehr oft mit seinem jüngeren Bruder alleine und übernimmt auf sich die ganze Kindespflege. Von klein auf verstand Anastasia, dass die Eltern äusserst viel arbeiten sollen, um über die Runden irgendwie kommen zu können. Aus diesem Grund wurde das Geschwister zu einander so nah. Obwohl die Tochter wirklich verantwortlich war, fand Nadezhdas Herz keine Ruhe, und bei jeder freien Minute kehrte sie heim und überprüfte, wie es den Kindern so geht. Bogdan hat eine feste Bindung zu seiner Schwester und stiefelt ihr überall hinterher. Es ist amüsant zu beobachten, wie er sogar Anastasias Tanzbewegungen nachahmt. Demgemäss wollten die Eltern ihn zum Tanzkurs anmelden, jetzt aber muss man darauf verzichten…
Anastasia und Bogdan spielen im Hof, Ende Sommer 2013

Familie Mandrik feiert Anastasias Einschulung, September 2013
Eines unspektakulären Tages, der genau so wie viele bevor war, verliess die Frau ihre Kinder mit ihrem Grossvater für eine Weile zu Hause, zu Gast war auch Anastasias Mitschüler. Sie musste eben zur Nachbarin gehen und die Arbeit vereinbaren. Inzwischen geriet das Geschwister in Spieleifer und begann auf dem Bett zu springen. Daran knüpfte der Opa ihnen eine Bemerkung an, und diese drei Quirlige entschieden, in ein anderes Zimmer zu gehen, um Grossvaters Verweise zu vermeiden. So ein Spiel führte leider zu den schrecklichsten Folgen… Ihre Spielerei forttreibend hat sich Bogdan den Kopf gegen die Bettecke stark gestossen. Aber vom Aufprall war es gar keine Spuren zu sehen. Als Nadezhda nach Hase kam, wurde sie sofort über das Geschehene informiert. Die Frau zog keine Notbremse, denn die Beiden spielten mit einander ruhig weiter. Ein paar Stunden später beschwerte sich der Junge über das Ohrenreissen. Dann ging der Vater Andrej in die Sanitätsstelle und holte für sein Kind Ohrentropfen. Als diese benutzt wurden, ging es ins Bett. Die Mutter dachte, dass es nur die Reaktion des Körpers auf die Arznei sei. Einschlafen konnte der Bube aber nicht, weil er Erbrechen bekam. Diese Anfälle wiederholten sich jede sieben Minuten. Das Schlimmste erwartete leider vorne – Bogdan verlor sein Bewusstsein… Die Eltern holten rasch den Jungen zur Krankenschwester und brachten ihn dringend in die Stadt Cherson. Auf dem Weg zur Klinik machte ihm die Medizinschwester unablässig künstliche Beatmung, und Nadezhda betete mit den über die Wangen in Strömen stürzenden Tränen zu Gott, damit Er ihr das Söhnchen nicht fortnimmt. Bogdan fiel ins Koma und lag so fast eine Woche lang. Im Krankenhaus wurden dem Jungen zwei Blutbeulen herausoperiert… Diese Zeit dauerte für seine Nächsten unerträglich lange, die Ärzte gaben Bogdan keine Chancen zum Überleben. Die Familie gab dagegen die Hoffnung nicht auf. Bei ihrem Sohn ist eine positive Dynamik schon verfolgbar. Er braucht jetzt nur eine Metallplatte und ein bisschen Wunder…

Bogdan mit seiner Mama nach der Operation, Frühling 2016
Die Eltern bemühen sich immer, von ihren Kindern das Unheil fernzuhalten, aber leider gelang es Nadezhda und Andrej nicht, diese Bedrohung vorauszusehen und so einer schwierigen Verletzung ihres Sohnes vorzubeugen, als die Kleinen innerhalb des Heimes harmlos spielten. Wir wurden zu den Augenzeugen der Untröstlichkeit von der Frau Mandrik und empfanden auf eigenem Leibe, wie tief und inniglich ihre Gefühle sind, und wie stark sie alles Geschehene durchdrang. Wir machten unser Bestes, um die Mutter davon zu überzeugen, dass sie sich so viel nicht plagen soll. Es ist so schade, dass Bogdan auf seinen Lebenspfad ganz vor kurzem trat, und stach sich schon so unbeabsichtigt „einen gefährlichen Dorn in den Fuss“. Und nur „die Salbe“ aus unserem Mitleid und Mitmachens kann seine „Narbe“ heilen und dadurch den Jungen aus dem Rachen des Todes erretten.